Mätes auf dem Weg nach Santiago
  Tag 11
 

29.03. Arzua - Predouzo  19,6km

Enjoy.
Michael steht sehr früh auf um ziemlich genau um 6Uhr den langen Weg bis Monte de Gozo zu starten. Auch für ihn ist es der dritte Jakobsweg und er möchte unbedingt einmal in der riesigen Herberge vor der Stadt übernachten um Morgen dann in aller Ruhe die letzten 5km bis Santiago zu spazieren. Der Herbergskomplex von Monte de Gozo ist wie eine kleine Siedlung angelegt, ziemlich nüchtern aber mit Geschäften, Restaurants und Rot-Kreuz-Station. Riesengroß, bestehend aus 25 Wohnblöcken mit 3000 Betten, davon immer mindestens 400 Betten für Pilger. Die Anlage wurde zum Weltjugendtag 1989, als Papst Johannes Paul zu Besuch war, erbaut um den ungeheuren Pilgerstrom zu bewältigen. Als Michael fort ist bin ich ganz alleine im Gebäude. Ganz wohl ist mir dabei nicht und so vertreibe ich mir die Zeit damit um ein paar Sportnachrichten auf meinem Smart-Phone zu lesen, denn heute Abend spielen wir ja gegen Bilbao, dazu ist W-Lan hier kostenlos. Um 7Uhr gehe ich ein Stück auf dem Weg zurück zur Bar Mandala von Joan und trinke gemütlich zwei Kaffee gemeinsam mit Jose und wir unterhalten uns ganz nett. Sie möchte heute auch bis Predouzo laufen und so starten wir um kurz nach 8Uhr gemeinsam in den Tag. Schon kurz hinter Arzua verabschiede ich mich von ihr weil mein Schritt doch viel schneller ist als ihrer und ich auch merke dass sie viel lieber ohne Gesellschaft laufen möchte. Jeder geht halt seinen eigenen Weg, auf dem Weg der Wege. Landschaftlich ein Augenschmaus und vom Gelände völlig Anspruchslos, so gestaltet sich der Camino Frances in dieser Gegend. Vor mir läuft mein roter Aldi-Rucksack aus dem letzten Jahr, getragen von einem jungen Spanier. Aldi gibt es also auch in Spanien. Mein dritter Camino, mein dritter Rucksack und alle in der Farbe rot. Obwohl rot nicht meine Lieblingsfarbe ist so wird man auf Straßen doch besser von den Kraftfahrzeugen gesehen und ich fühle mich sicherer. Bis zum nächsten Kaffee sind es 7,7km und ich durchquere viele kleine Dörfer mit den schönen Namen Preguntoño, Tabernavella, a Calzada und Calle. Calle ist besonders schnuckelig mit seinen ursprünglichen Höfen und kleinen Gassen und gilt als galicisches Musterdorf was ich wirklich bestätigen kann. Der Kaffee haut mich nicht gerade vom Hocker doch lasse ich mir viel Zeit und beobachte die vielen Pilger die an der kleinen Bar vorbei gehen. Eine große Schulklasse mit Teenagern kommt auch vorbei und den Kindern ist die Unlust geradezu anzusehen, ich erinnere mich an meine Jugend, Wandertage waren immer furchtbar langweilig. Ich reihe mich hinter Klasse ein und gehe hinter ihnen her. Kleine Rucksäckchen und abgebrochen Stöcke aus dem Wald, dazu Turnschuhe, die Meisten haben Musik auf den Ohren. Die anderen, geselligeren, quatschen unaufhörlich miteinander, die spanische Jugend eben. Vorbei an Boavista (schöne Aussicht), Salceda und Ras gehe ich den altbekannten Camino gen Westen. Die Kinder habe ich längst überholt, nicht weil ich schneller bin sondern weil sie immer wieder stehen bleiben und quatschen und reden. Vor Empalme mache ich eine kleine Pause um meine Wasservorräte umzufüllen. Da kommen die Kids wieder heran, eine Lehrerin nimmt mich wahr und kommt mit ihren Fotoapparat zu mir, fragt mich dann höflich ob sie mein Tattoo fotografieren darf, fürs Klassenalbum wahrscheinlichJ. Nur noch drei Kilometer und es ist gerade mal Mittag. Hinter Santa Irene geht es durch dichten Eukalyptuswald nur noch bergab. Vor Predouzo steht wieder dieser Anhänger der jeden automatisch anspricht und für die schöne Herberge Porta Santiago wirbt. In Predouzo steuere ich direkt auf die genannte Unterkunft zu weil ich vor zwei Jahren auch schon hier übernachtet hatte und ihr ein gutes Preis/Leistungs Verhältnis zuspreche. Vor der Tür steht ein großer Reisebus und ich ahne nichts Gutes. Tatsächlich gehört der Bus zu den Jugendlichen vom Weg und alle wollen hier unter kommen. So stelle ich mich artig hinten in der Schlange an und warte. Jedes Kind legt seine Papiere, den Personal. - und Pilgerausweis, vor und bekommt dafür die Nummer seines Bettes zugewiesen. Und das dauert und dauert und dauert…….bis der Hospitalero mich entdeckt und nach Vorne zum Schalter holt. Das Besitzerehepaar der Albergue ist super freundlich, trotz all dem Tohuwabohu mit den Kids hier. Als ich ihnen meinen Bettenwunsch zeige und auch sage warum (ich wähle nämlich das gleiche Bett wie vor zwei Jahren) ist der Señor vollends angetan und noch eine Schippe freundlicher. Die Klamotten in die Ecke geschmissen und rüber auf die andere Straßenseite in die Bar. Hier mache ich es mir gemütlich und erkunde schon mal ob am Abend das Schalkespiel übertragen wird, und ich habe Glück. Extra für mich wird nicht die andere Paarung (Valencia-Madrid) übertragen. Leckere Pollo al ajio, Pommes, Allioli und Brot, dazu eiskaltes San Miguel, so genieße ich den Nachmittag. Vater und Sohn aus Norddeutschland, ein Pilger aus Berlin setzen sich zu mir und wir kommen ins Gespräch. Sie gehen alle die letzten 100km und die Nordlichter gehen noch bis Finisterre. Wie schnell doch die Leute ins reden kommen denn in 30min weiß ich komplett alle Beweggründe der Mitpilger, und somit auch alle Probleme aber das möchte ich gar nicht hören und verziehe mich lieber zum Schläfchen in mein Etagenbett. Leider ist an schlafen nicht zu denken, denn die Jugendlichen machen ordentlich Rabatz. Eine Stunde döse ich vor mich hin, Vater und Sohn haben sich doch tatsächlich in meiner Ecke platziert. Nun gut, so kaufe ich ein paar Müsliriegel und kleine Safttüten für Morgen ein, setze mich in den Empfangsraum und schreibe in mein Notizbuch das Heute erlebte auf. Am Abend gehe ich wieder rüber zur Bar und bestelle mir eine Portion Pulpo. Die Galicier sind wirklich Meister wenn es um Pulpo geht, denn wieder einmal sind sie perfekt zubereitet. Das Spiel beginnt, Vater und Sohn leisten mir Gesellschaft, und Bilbao geht doch tatsächlich in Führung, man o man. Ausgerechnet heute sitzt mit uns eine Reisegruppe aus Bilbao in der Bar. Rentnerfrauen auf Tour, und sie bejubeln natürlich das schöne Tor mit einem zwinkern und Prost in meine Richtung. Raul Gonzales Blanco dreht das Spiel auf 2:1, doch da sind die Damen schon nicht mehr da. Wir verlieren das Spiel und ich sprinte mit den Beiden zurück in die Herberge. Die Licht-Aus-Zeit ist schon lange vorüber, die Lehrer und der Busfahrer sitzen gemeinsam schweigend im Erdgeschoss und warten bis alle Kinder eingeschlafen sind. Die ganze Gruppe kommt aus Sevilla und geht Morgen ebenfalls nach Santiago. Eine ungewöhnliche Klassenfahrt, wie ich finde. Viele Etappen (ihre Pilgerausweise sind voller Stempel), gemeinsam laufen und das Gepäck wird mit dem Bus transportiert. Mit einer riesengroßen Freude auf Santiago, einer enttäuschenden Niederlage und der nötigen Bettschwere schlafe ich ein. Morgen endlich in die magische Stadt, Toshi und Michael treffen, perfekt.



Frühtau über den Feldern am Morgen.


Und schon geht auch die Sonne auf.


Was sind schon noch 30km bis Santiago?


Camino Frances 2010, Tag 32, das gleiche Foto :-)


Hohlweg, millionen Pilger und die Natur haben den Weg geformt.


Kurz vor dem Ziel ist die Gruppe aus Sevilla schon ziemlich auseinander gezogen.


Ein Bewegungsmelder löst die Stimme aus die für die Herberge wirbt.

 
   
 
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