Mätes auf dem Weg nach Santiago
  Tag 10
 

28.03. Merlan - Arzua  28km

Zurück auf dem Camino der Erinnerungen.
Wir haben doch prompt verschlafen, so gut sind die Betten hier. Draußen ist es relativ kalt an diesem Morgen, man darf nicht vergessen dass es erst März ist und wir uns auf 600m Höhe befinden. Dicke Klamotten an und los geht’s. Im Dorf riecht es an diesem Morgen wie in Bayern im tiefsten Kuhdorf, unglaublich streng und beißend, nur gut dass ich beim Gehen rauchen kann. Vier Kilometer lang laufen wir stetig bergauf durch kleine Wälder und vorbei an Häuseransammlungen, durch Hohlwege und nicht befahrene Pisten. Unser erstes Ziel, Hospital das Seixas, ist dann auch in weniger als einer Stunde erreicht. Hinter dem Ort führt der Weg unterhalb einer Felsformation auf einem Bergkamm entlang, gegenüber ist ein Windpark in voller Arbeit zu bestaunen. Laut Reiseführer müsste gleich Melide in der Ferne zu sehen sein doch vorher gehen wir durch einen Kieferwald indem sich Wildpferde scheu vor uns verstecken. Ich gehe ein paar Meter in den Wald hinein und nähere mich ganz vorsichtig, doch den Gäulen sind Menschen wohl in nicht guter Erinnerung und entfernen sich weiter ins Dickicht. Mittlerweile habe ich den Pulli und die Hosenbeine im Rucksack verstaut weil die Sonne ordentlich am Werke ist. Der Blick auf Melide, die Pulpostadt schlechthin, ganz weit hinten in 12km Entfernung und 200m tiefer gelegen, dazu das herrliche Wetter, einfach der helle Wahnsinn wieder in dieser Region von Galicien zu sein. Ich freue mich riesig. Doch vorher müssen wir noch durch die Dörfer Vilouriz und Vilamor gehen, Vororte die zur Concello Melide gehören und verschlafen vor sich hin träumen. Nicht weit vor uns sehen wir die Brasilianerinnen gehen die wir also bald einholen werden, dachten wir uns. An einer Kreuzung folgen wir dem Jakobsweg nach links auf einem Waldweg, die Damen gingen wohl weiter auf der Hauptstraße direkt die kürzere Variante in Richtung Melide, denn gesehen haben wir sie nie mehr. So ärgern wir uns ein wenig weil wir nicht auch der Straße gefolgt sind, doch die herrliche Landschaft entschädigt uns dafür. 2 Stunden nachdem wir Melide erblicken konnten sind wir immer noch nicht da, doch kurz vor der Stadt erreichen wir den Abzweig zum Ort Compostela den wir aber nicht folgen. Hier kurz zur Geschichte ein paar Zeilen: Im Jahr 813 soll der Mönch Pelayo das Grab des Apostels entdeckt haben. Ein Lichtschein soll ihn zu dem Ort geführt haben. Und da noch ein paar Hirten den Lichtschein ebenfalls gesehen haben sollen wurde der Platz Sternenfeld genannt, lat. Campus Stellae > Compostela. Experten glauben dieser Legende nicht, sondern gewichten eher die Tatsache dass Ausgrabungen im 19. Jh. unter der Kathedrale von Santiago bei denen eine frühchristliche Nekropole (eine große Begräbnis.- bzw. Weihstätte) gefunden wurde, den Ort des Grabes Jakobus des Älteren. So weit, so gut, nun kommen wir endlich in Melide an und da es schon Mittagszeit ist wollen wir auch vernünftig essen. Eine kleine Bodega, direkt am Camino Frances gelegen in der alten Stadt lädt und zu Bocadillo, Kaffee und Cola ein. Toshi ist so frech und serviert uns aus seinem Proviant noch jedem eine Dose Sardinen in Öl. Die Kellnerin schaut zwar verdutzt drein, sagt aber nichts dazu und lässt uns unser ungewöhnliches Mahl genießen. Ich frage mich wo und wann der kleine Japaner denn diese Konserven gekauft hat? Er trägt sie schon eine Weile mit sich herum, der verrückte Kerl. Nach einer langen Pause gehen wir endlich weiter, ich kann es kaum erwarten. Im letzten Straßenzug erkenne ich die kleine Konditorei wieder an der ich letztes Jahr Alfredo aufgegabelt hatte. Erinnerungen kommen hoch, wunderbare Erinnerungen. Die Wegsteine verändern ihre Form und ein großer Eukalyptuswald der in der großen Mittagshitze für Schatten sorgt verbreitet einen Duft von Rachenbonbons. Viele Pilger, vor und hinter uns, sorgen für Abwechslung. Nach 2,5km erreichen wir Boente. Ich gebe Michael den Tipp für einen schönen Stempel in der kleinen Jakobuskirche im Ort. Auch wenn wir kein Personal antreffen wird hier eine Spende für den Stempel erwartet, allerdings gehört dieses Gotteshaus dem Opus Dei und so bleibt der Platz auf Michaels Pilgerausweis frei. Man hört ja nichts Gutes von dieser Splittergruppe des Vatikans, und wer Dan Brown gelesen hat ist sowieso befangen. Unser Ziel ist Arzua und noch mehr als 11km weit entfernt, das Wetter ist prächtig bis hervorragend, wunderbar heiß und sonnig. Die Gegend hier ist typisch galicisch. Einige kleinere Hügel im Wechsel mit kurzen Abschnitten von Feldern und Weiden. Noch hat hier der Eukalyptusbaum nicht die einheimische Flora komplett verdrängt und alte Eichen geben der Landschaft ihren typischen Touch. Ich fühle mich wie Zuhause, kann jede Kurve, jede Straße und jeden Hof voraus sagen, wirklich. Freude beim Gehen und Betrachten der Landschaft, immerhin hatte ich vor zwei Jahren das Schlimmste hinter mir und war damals schon voller Vorfreude auf Santiago. Nur dieses Mal ist wirklich der Weg das Ziel. Nur noch 4km bis zum Tagesziel, bald sollte endlich die kleine Bar kurz vor Ribadiso auftauchen an der ich letztes Jahr die Schraube meiner Sonnenbrille verlor, die dann wiederum Ulrike, die nach mir hier vorbei kam, gefunden hatte. Eine winzig kleine Schraube aus dem Gestell, die sie mir in Predouzo zurückgegeben hatte und die ich dann doch wieder verlor. Vor der Bar kommen wir mit einer Niederländerin kurz ins Gespräch die ich später in Arzua wieder treffen sollte. Leider hat die Bar geschlossen und wir laufen weiter. Bei bestem Wetter kommen wir in Arzua an. Toshi ist etwas zurückgefallen und bezieht die öffentliche Herberge. Michael und ich gehen weiter bis zur Herberge „Via Lactea“ die mir aus 2010 in guter Erinnerung geblieben war. Für 10€ sind wir hier sehr gut untergebracht und können unsere gesamte Wäsche abgeben die dann auch noch im Trockner wieder ihre Leichtigkeit bekommt, für jeweils 2€ versteht sich. Niemand sonst nimmt hier Quartier, aber das ist uns egal. Nach dem Duschen trinken wir auf einem zentralen Platz erst mal ein großes Bier. Dann suchen wir eine Bar in der wir noch ein Pilgermenü bekommen. Wir landen in der Bar Mandala, der Bar von Joan, dem Freund von Alex aus Bodenaya. Die Küche hat zwar gerade geschlossen doch die Köchin zieht sich die Schürze extra für uns noch einmal über und bereitet uns ein Menü inklusive Jakobsmuschel. Joan ist leider nicht anwesend, soll aber am späten Nachmittag wieder hinter der Theke stehen. Toshi treffen wir auch wieder und so trinken wir gemeinsam eine Flasche Rioja, oder Zwei? Nachdem die Beiden sich zum Nachmittagsschläfchen verziehen setze ich mich noch nach Draußen (drinnen darf man nicht rauchen, nirgendwo auf dem bisherigen Weg) für eine Cerveza. Hier komme ich mit der niederländischen Frau ins Gespräch. Jose, so heißt sie, dreifache Mutter und ca. 55J. ist auf den letzten 100Kilometer unterwegs. Auch ich mache später noch ein kurzes Nickerchen um zum Abend mit Michael wieder zur Bar zu gehen. Nun habe ich mein neues Trikot übergezogen und bestelle Joan, dem heißblütigen Barca Fan, die Grüße von Alex. Er ist überglücklich über die Grüße und greift direkt zum Handy für eine SMS nach Bodenaya. Der Abend ist gerettet und bei einer Portion Pulpo lasse ich den Abend beim Championsleague-Spiel von AC Milan – Barcelona ausklingen. Die Herberge ist zwar schon längst geschlossen als ich Heim komme, doch der Hospitalero hatte mir den Code für das elektronische Türschloss gegeben damit noch Einlass finde. Michael, nicht so Fußball Verrückt, schläft schon. Morgen werden Michael und Toshi bis nach Monte de Gozo gehen um übermorgen der Mittagsmesse beiwohnen zu können, das sind immerhin 36km. Ich dagegen möchte lieber nur bis Predouzo laufen und genießen, die Abendmesse sollte reichen. Hasta mañana, Mätes.























































 
   
 
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