Mätes auf dem Weg nach Santiago
  7. Tag
 

01.08.  Valença - Mos  25km

Oh, Porriño.
Nach einer erholsamen Nacht nutzen wir unser eigenes Badezimmer ausgiebig, packen unsere Rucksäcke und begeben uns um 08:30Uhr in den kleinen Frühstückssaal des Hotels. Brötchen, Müsli, O-Saft, der Kaffee ist der Erwähnung nicht wert, was will man für 33€ ÜF schon verlangen, außerdem sind wir Pilger und keine Pauschaltouristen. Als die Servierdame einen Moment den Raum verlässt nutzt Rosalie die Gelegenheit und sorgt für unseren Proviant, der fix in den Rucksack verschwindet. Prima, so haben wir leckere Wurstbrötchen zum Mittag. Um 9Uhr laufen wir stramm auf die Grenze zu indem wir die Festung auf der Ostseite umrunden. Den Grenzfluss Minho, letztes Jahr schon bei Portomarin überquert, überwinden wir über die außergewöhnliche Konstruktion der Internationalen Brücke. Die Brücke wurde von einem spanischen Architekt entworfen und im Jahre 1886 fertig gestellt. Seine Inspiration erhielt er vom Eiffelturm, daher das viele Metall. Diese Ruhe am Morgen, windstill ist es, die Wasseroberfläche vom Fluss spiegelglatt und am anderen Ufer erwartet uns España. Der Tag beginnt einfach wunderbar. Drüben angekommen stellen wir erst mal unsere Uhren um eine Stunde vor. Nun sind es schon 10:30Uhr. Unser Plan die 19,4km bis O Porriño zeitig zu erreichen wird nicht allzu leicht realisierbar sein. Hinauf zur Altstadt führt uns der Camiño durch enge Gassen. Bald stehen wir auch schon vor der Kathedrale von Tui, ein klobiges Gebäude welches den höchsten Punkt der Grenzstadt kennzeichnet. In der Stadt ist so gut wie gar nichts los, keine Pilger und fast keine Einheimischen sind zu sehen. Die Stadt Tui wird erstmalig im Jahr 137v.Chr. erwähnt. Ideal im Tal des Miño (Minho auf Spanisch) gelegen wurde es von den Römern und später auch Arabern besetzt. Der Legende nach soll der Apostel Jakobus hier zu Lebzeiten gepredigt haben. Heute stellt die Stadt einen beliebten Ausgangspunkt für spanische Pilger dar weil es von hier an nur noch 115km bis Santiago sind und somit für die Compostela eine ausreichende Entfernung ist. In der großen Kathedrale bewundern wir die Kunstwerke und das raffiniert einfallende Sonnenlicht. Da kommt der Pastor auf uns zu und bittet mich doch mein Piratentuch auszuziehen, Rosalie wiederum darf ihren Strohhut aufbehalten. Der feine Unterschied zwischen Mann und Frau in einem Gotteshaus eben. Lange halten wir uns nicht auf, zu weit ist der Tag schon fortgeschritten und zu wenig Kilometer haben wir hinter uns. Durch andere enge Gassen gehen wir in Richtung Fluss hinunter. Der Weg hinter der Stadt erwartet uns mit einer äußerst reizvollen Landschaft. Teilweise müssen wir zwar eine Schnellstraße kreuzen bzw. gehen an ihr entlang, aber viele Abschnitte verlaufen durch Mischwälder und kleine Dorfer. Auch hier sehen wir allenfalls Pilgerneulinge welche wir an den lauten Unterhaltungen oder an den Anstrengungen in ihren Gesichtern fest machen. Allesamt Spanier. In Ribadelouro bewundern wir noch die Idylle ohne zu wissen was gleich kommt. Wir verlassen so langsam das letzte Waldstück und müssen einen kleinen Hügel hinauf. Oben angekommen erblicken wir auf der rechten Seite einen großen Parkplatz an dem eine kleine Bar angrenzt. Daneben befinden sich einige feste aus Holzstämmen gefertigte  Bänke und Tische die überdacht sind. Alle Plätze sind besetzt, die Bar geschlossen, eine Menschentraube bildet sich an einem ausgelegten Stempelkissen inklusive angeketteten Stempel. Stempeljäger!! Bestimmt um die 30 Leute. Die Ruhe ist vorbei, hier sind also die vermissten Pilger von heute Morgen. Hier möchten wir keine Pause einlegen und gehen den Hügel weiter Hinten wieder herunter. Unten erblicken wir eine kleine Bar in der LKW-Fahrer und eine Handvoll Pilger pausieren. Schnell einen Café con Leche, unsere Brötchen dazu und weiter in Richtung O Porriño, 6,5km Kilometer bis zur Herberge und laut Wanderführer soll nun ein nicht so prickelndes Stück Weg folgen. Außerdem möchten wir auf jeden Fall die Touris hinter uns lassen. Das Gewerbegebiet der Stadt beginnt sofort nach der Bar. Eine Linkskurve, dann nochmal rechts herum und wieder links vorbei an verschiedene Mittelstandsbetriebe und Speditionen, dann geht es nur noch gerade aus. LKW´s scheren aus ihren Firmen heraus auf die Straße, PKW´s rasen vorbei, kurz vor uns laufen ein paar junge Mädels mit Schlappen und Beautycaseähnlichen Rucksäcken und dazu selbst geschlagene Holzstöcke die als Pilgerstab herhalten. Rosalie macht das einzig Richtige und hört Musik mit ihrem MP3 Player. Die Lautstärke ist enorm, Rosalie gibt ordentlich Gas und bringt sehr schnell viele Meter zwischen uns. Ich rufe hinter ihr her um langsamer zu gehen damit sie sich nicht die Sehnen wundläuft, habe es doch selber erfahren müssen im letzten Jahr, doch sie hört mich nicht. Anscheinend möchte sie die lange Strecke möglichst schnell hinter sich bringen. Rechts ein sehr großer Neuwagenparkplatz, dann auf der linken Seite ein Steinsägewerk (nennt man das so?) in der tonnenschwere Granitsteine zu Quaderformen zugeschnitten werden. Rechts in weiter Ferne die dazu gehörenden Steinbrüche. Rosalie hat inzwischen die Señoritas überholt und sieht nun die nächste Herausforderung. Eine Gruppe von Leuten gemischten Alters die aber anscheinend zusammen gehört. Nun direkt rechts an der Straße eine Fischfabrik, puh, wie das riecht! Rosalie ist nun sicher schon 100 Meter vor mir und lässt unsere Herbergsbettenkonkurrenten wie Schnecken aussehen, mich allerdings auch. Beim Überholen geht sie, ich denke sie merkt es noch nicht mal, auf der Straße anstatt rechts über einen Grünstreifen, bleibt danach einfach auf der Gleichen um die nächsten Leute hinter sich zu lassen. Ganz schön gefährlich, so langsam mache ich mir Sorgen. Eine Rechtskurve, endlich vorbei mit der Straße, von wegen, direkt links weiter. Dann kommt eine verwinkelte Stahlfußgängerbrücke auf der wir die A55 überqueren. Dadurch dass die Brückentreppe verwinkelt ist komme ich an Rosalie bis auf ein paar Meter heran und gebe ihr zu verstehen die Kopfhörer herunter zu nehmen. Endlich kann ich ihr Tempo reduzieren, eine zusätzliche Verletzung neben ihrer täglich stark schmerzenden Hüfte können wir nicht gebrauchen. Auch die Ortseingangsschnellstraße ist laut und hässlich. Autohäuser, kleinere Betriebe, Restaurants und Bars, alte Häuser ohne den üblichen spanischen Flair. O Porriño kannste bisher getrost vergessen. Irgendwann verlassen wir die Schnellstraße und überqueren mühsam, wegen des hohen Verkehrsaufkommens, die Straßenseite in Richtung Zentrum. Der Weg durch die Stadt ist etwas ruhiger, doch fallen uns die Horden von Pilgern, Pfadfindergruppen und Touristen auf. In einem Supermarkt kaufen wir ein wenig Obst und Wasser und suchen die Herberge. An der Herberge stehen die Leute Schlange und auf der Vorwiese warten zig Menschen das die Unterkunft öffnet. Leider voll, keine Chance auf ein Bett, aber wir benötigen ja Zwei davon. Na gut, den Wanderführer zur Hand und einstimmig den Entschluss gefasst zum Weitergehen. 5,3km bis Mos. Einziger Haken an der Sache, die Herberge hat nur 16 Betten. Zunächst laufen wir unschöne 1,8km Stadtauswärts, dann gefährliche 1,7km entlang der N550. Anschließend verlassen wir die Nationalstraße und dürfen wieder die spanische Vorortruhe genießen. Auf den letzten Kilometer bis zur Unterkunft sehen wir keine andere Wanderer mehr. In der Herberge sind zu diesem Zeitpunkt erst sechs Betten belegt. Ein deutscher Unternehmer aus Florida (erfahren wir später) mit seiner thailändischen Frau und seinen beiden geschwollen sprechenden Mischlingssöhnen, die in Miami studieren und ziemlich schlau daher reden. Nicht unser Fall, diese Leute. Hinten in der Ecke in einem Etagenbett schlafen Diana&Peter, wie schön, endlich wieder Bekannte dabei. Wäsche waschen, duschen, Nickerchen und dann herüber zu den Herbergseigentümern. Hier betreibt ein sehr nettes Ehepaar eine kleine Bar an der ein klitzekleiner Supermarkt angeschlossen ist. Diana und Peter essen gerade zu Abend. Eine Karte gibt es nicht. Die Hospitalera bereitet einem das zu was er gerne essen möchte und was sie im Supermarkt hat. Ganz einfach. Wir entschließen uns selber nachher etwas zuzubereiten, bzw. Rosalie zaubert eine Kleinigkeit. Mit den beiden Kanadiern verbringen wir eine lustige Zeit auf der Terrasse des Supermarktrestaurants. Man tauscht sich aus. Ingrid und Joachim sind heute Morgen in Tui gestartet und wollten weiter nach Redondela. Eine Chance besteht das wir sie Morgen vielleicht einholen. Diana hatte heute einen Unfall. Auf der langen Straße im Industriegebiet hat sie eine Bürgersteigkante übersehen und ist gestürzt, Jakobseidank ist ihr nichts passiert, sie hatte sich bei Sturz auf den Rucksack fallen lassen. Nach und nach füllt sich unser Schlafraum. 16 Betten sind bei dem Pilgeransturm der hier ankommt natürlich nix. Zusatzmatratzen werden hinter dem Küchentisch ausgelegt. Nun sind es schon zwanzig Leute in dem kleinen Raum, und nur jeweils eine Toilette, eine Dusche und ein Waschbecken für Frauen und Männer. Immer mehr Pilger trudeln ein, so langsam zweifel ich an dem Verstand der Leute. Es ist fast dunkel und es kommen immer noch Welche. Pilgern schön und gut, aber ein wenig Planung sollte schon sein. Unter unserem Schlafraum befindet sich eine Garage, dort kommen fast Alle unter, und jeder bekommt eine Matratze die auf dem Boden liegt. Gut organisiert vom Hospitalero, muss ich sagen. Zwei englisch sprechende Frauen ziehen lustig weiter, Frohnaturen und von der Sonne völlig verbrannt. Sehen aus wie Krebse auf zwei Beinen. Rosalie bereitet uns zwei tolle Zwiebel/Tomaten/Eier-Baguettes in der Pfanne zu, dazu eine Flasche Vino Tinto und wir fühlen uns wie Könige. Wirklich Leute, nach einem anstrengenden und auch schmerzvollen (für Rosalie) Tag ist das ein Festmahl. Es ist schon dunkel, da schwingen wir uns hoch in die Etagenbetten. Wo wir wohl Morgen landen? Wie weit uns die Füße tragen werden? Gute Nacht Rosalie, gute Nacht Peter, gute Nacht Diana, gute Nacht John-Boy, gute Nacht Jim-Bob, gute Nacht Mary-Ellen, gute Nacht Grandma…………:-)



Ein Kunstwerk für sich...


...die Internationale Brücke.


Stabile Bauweise mit jeder Menge U-Stahl.


Ein wirklich traumhafter Blick über den Minho nach Tui in Spanien.


Viva España.


Galicien wir kommen.


Die Entfernungsangaben nach Santiago bis auf den Millimeter genau auf den Wegsteinen.


Die monumentale Kathedrale von Tui.


Von Innen ein sehr wuchtiges Erscheinungsbild.


Mata Mauro, Jakobus der Maurentöter.


Hinunter aus der Stadt...


...durch enge Gassen.


Bom Caminho und noch 114Km.


Die Kilometer hinter Tui waren sehr angenehm zu laufen.


Wälder und Dörfer wechselten sich ab.


Die Temperaturen waren warm aber zu Wandern perfekt.


Die Beschläge und Scharniere deser Garage Detailgetreu einer Jakobsmuschel nachempfunden.


Verschlafene Nester...


...und alte Wege an einem Bach entlang.


Die letzten schönen Meter bevor wir in das Industriegebiet von O Porriño kamen.


Immer geradeaus entlang der Schnellstraße.


In der Ferne sind die Steinbrüche zu erkennen.


Der Blick zurück war auch nicht besser, aber ebenso ein Teil des Caminos.


Schon hinter der Stadt entlang der Nationalstraße.


Tja, auch die LKWs gehören halt dazu.


Ein alter Hórreo (Feldfruchtspeicher) auf dem Weg nach Mos.


Die Via Romana abseits der lauten Straßen, damals die Hauptverkehrsader.


Unser Schlafraum in Mos, viele Betten auf engem Raum und dazu eine sehr niedrige Decke.


Die Küche befand sich im gleichen Raum. Rosalie bereitet unser Abendessen zu.


Typisches Bild vor jeder Albergue. Wäsche zum Trocknen und Schuhe zum Lüften.


Baguette mit gedünsteten Tomaten, Knoblauch, Zwiebeln und Spiegelei.


Nach dem Abendessen genießen wir Vino Tinto an diesem Wegkreuz. Im Hintergrund ist die Herberge zu sehen.


Wäsche trocken und einpacken.


Die offenen Fenster sind vom Schlafram. Im EG werden später noch viele Pilger untergebracht.


Viele Fotos haben wir leider nicht von Diana und Peter. Aber hier ist gut zu erkennen welch nettes Paar die Beiden waren. Rechts ist der Eingang zu Minimarkt zu erkennen.


Von Allem das Wichtigste im Sortiment. Ein sehr geschäftstüchtiges Ehepaar betreibt die Herberge, den Supermarkt und die Bar. Ausgerichtet nicht nur auf Pilger sondern auch auf die Dorfbewohner.

 
   
 
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