Mätes auf dem Weg nach Santiago
  9.Tag
 

30.04. Azofra - Santa Domingo de la Calzada  15km

Wege trennen sich.
Trotz des schönen 2-Bettzimmers werde ich um 3Uhr wach, ab zur Toilette. Etwas ist das rechte untere Schienbein noch geschwollen, immerhin aber weniger als gestern Abend als Diana mir noch eine wohltuende, manchmal schmerzhafte Massage spendierte. Danach kann ich kaum noch einschlafen. Ich überlege fieberhaft ob ich hier bleiben soll oder in kleinen Schritten weiter gehe. Durch meine Unruhe wird zu allem Überfluss auch noch Diana wach. Wir reden und überlegen wie es weitergeht. Entscheidung soll am Morgen folgen. Nach dem Waschen drehe ich eine Runde über den Hof und entschließe mich den Camino fortzusetzen, was sich später als Fehler herrausstellen sollte.
Wir sind dann um 7:30Uhr los, durch die Rioja Alta (die Kornkammer Spaniens). Anfangs verspuerte ich auch keinerlei Schmerzen, doch nach dem ersten Abstieg fing es wieder an. Das rechte untere Schienbein meldete sich. Ok, weit und breit kein Ort, nur Felder, also weiter in kleinen Schritten. Dann ging es auf einen 270m Anstieg zu. Aufstiege sind nicht das Problem, nur wenn man wieder herunter muss. Oben angekommen machten wir erstmal eine Pause. Frühstück war angesagt. Ich nehme eine weitere IBU600 und Diana massiert mir das Voltarengel im Spann und Schienbein ein. Nach 20min kommt die vermisste Magda den Hügel hinauf, sie hat sein zwei Tagen niemand Bekannten mehr gesehen und große Freude macht sich breit. Auch sie bekommt eine Masage von Diana, Magda hat ebenfalls eine entzündete Sehne, Voltaren bekommt sie von mir. Nachdem wir Magda verabschiedet hatten gehen auch wir weiter und kommen in eine völlig sinnlose Neubausiedlung inklusive Golfplatz namens Cirueña. Oben auf dieser Erhebung in der Landschaft mit toller Aussicht (nur heute leider nicht...) stehen Ferienwohnungen in Hülle und Fülle und dazu gibt es einen großen Golfplatz. An jedem Balkon hängt ein Schild mit der Aufschrift "Se vende" oder "Alquilar" was übersetzt heißt "Zum Verkauf" und "Zu vermieten". Der Immobiliencrash Spaniens in mit allem Drum und Dran. Eine echte Schande für die schöne Landschaft. Nun gut, wir also weiter zum direkt daneben gelegenen Dorf Ciriñuela, welches wohl der Namensgeber der neuen Siedlung war und eine Bar aufgesucht in der wir einen Café con Leche genießen. Der Vormittag ist fast vorbei und wir haben bisher nur 9km geschafft. Bis zur nächsten Stadt sind es noch 6km, die aber fast vollständig bergab. Also machen wir uns an den Abstieg heran. Nach kurzen 100m ging bei mir gar nichts mehr, zur rechten Seite gesellt sich nun auch noch die linke Sehne und meldet heftigen Protest in Form von stechenden Schmerzen zum sofortigen Stop an! Ich kann beim besten Willen nicht "Normal" weiter gehen. Wir beraten uns kurz, tauschen Handynummern aus, eine letzte Umarmung und wir verabschieden uns. Ich lasse Diana ziehen und sie kann ihren eigenen Camino starten. Dann setze ich mich erstmal an den Wegesrand und schaue ihr nach. Nach ein paar Minuten ist sie schon außer Sichtweite, sie geht halt "unser" Tempo. Schwupp, weg isse. Die Tortur beginnt. Auf drei langgezogene stufenförmige Terassen von jeweils ca einem Kilometer zieht sich der Weg dahin. Links und Rechts zeigt sich die Rioja Alta in voller Pracht, doch dafür habe ich im Moment kein Auge übrig. Ich achte nur auf meine Füße. Wie ein alter Opa schleppe ich mich den Hang herunter, mir fehlt wohl nur noch der Rollator. Nach quälend langer Zeit erreiche ich Santo Domingo de la Calzada. Ich checke für 5€ (Spende) in der frisch renovierten 206Betten großen Albergue Cofradia del Santo ein. Cofradia heißt übersetzt "Brüderlichkeit", somit trägt sich dieses Refugio über eine Bruderschaft und Spenden. Eine hervorragende Unterkunft. Groß, hell, sauber und gute neue Betten. Dann mache ich mich auf um in einer Farmacía mir meine eigenen IBU600 für wenig Geld zu kaufen. Vor dem Laden schon die Allererste geschluckt, dann noch Lebensmittel für den Abend gekauft und ab in eine gemütliche Bodega. Frusttrinken ist angesagt. Mir fällt auf, Cerveza betäubt auch :-) . Anschließend lege ich mich für 1,5Std ins Bett und schlafe. Als ich aufwache ist mein Zimmer komplett mit 23 weiteren Pilgern belegt. Mit leichtem Brummschädel trinke ich mir einen Kaffee am Automaten, sortiere im Kopf alles neu und muss erstmal meine alten Schlappen, die ich seit Gestern mit Tape notdürftig geflickt hatte, durch Neue ersetzen. In einem traditionellem alten Schuhgeschäft mit toller Beratung bekomme ich für 35€ ein paar Wandersandalen. Die alten Treter lasse ich direkt vom Verkäufer im Laden entsorgen. Zurück im Refugio treffe ich Marie Luise&Klaus, Alfredo und Gitte. Jeder berichtet von den Ereignissen der letzten Tage, und alle raten mir zu einer zweitägigen Pause um danach mit dem Bus nach Burgos zu folgen. Ok, ich also zur Rezeption um zu fragen ob ich über die folgende Nacht hinaus bleiben kann. Nix da, ohne Attest läuft leider Garnichts. Die nette Hospitalera erklärt mir den Weg zur Ambulancia. In einer Gasse muss ich nochmals nachfragen. Der Besitzer eines Antiquitätengeschäfft erkennt meine Not und ist dermaßen freundlich das er kurz im Laden verschwindet, anschließend kommt er mit einem Stadtplan den er mir überlässt wieder heraus und zeichnet mir den kürzesten Weg ein. Buen Camino, Peregrino. Ich bedanke mich und humpel zum Krankenhaus. In der Notaufnahme mit der Krankenkarte angemeldet warte ich bis ich an der Reihe bin. Da kommt eine spanische Mutter mit ihrem Sprößling hereingestürmt. Der Kleine brüllt das halbe Gebäude zusammen, o weh, doch nach zehn Minuten ist Stille eingekehrt, ein Wunderdoktor wahrscheinlich. Schön für mich? Der Arzt will meinen Fuß gar nicht sehen und gibt mir ein paar IBU600, na prima, dann hab ich nun Medizin bis Santiago und mein Attest, alles übrigens kostenlos für Pilger. Am Abend richte ich mit Gitte noch eine neue Email-Adresse für sie ein weil T-Online in Spanien an den PC´s nicht funktioniert und pflege noch die Homepage. Um 22Uhr ist das Licht aus. Tabletten, Voltaren von Innen und von Außen, schlafen. Morgen bleibe ich hier und werde neidisch allen Pilgern hinterher schauen muessen. Macht Euch keine Sorgen, bis heute bin ich voll im Plan und ich hatte vorher 6Tage Puffer einkalkuliert. Und wenn gar nichts mehr geht fahre ich eben Heim und mache naechstes Jahr an genau der Stelle weiter wo ich vielleicht aufhoeren musste.
Motto des Tages: Weniger ist manchmal mehr. Und: Nichts haelt ewig. Bis denne, Maetes.



Nach dem Aubruch am Morgen. Noch sehr flaches Terrain und das Wetter ist merklich kühler, die Sonne hinter den Wolken verborgen.


Unser Frühstück nach dem Anstieg........


...und die Massage für das geschwollene rechte Schienbein.


Magda freut sich über die Behandlung und endlich wieder Bekannte zu treffen.


Ziemlich langgezogener Abstieg.


Endlich ist Santo Domingo in Sicht.


Das Schuhregal unten an der Rezeption.

 
   
 
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