Mätes auf dem Weg nach Santiago
  11. Tag
 

05.08.  Teo - Santiago de Compostela  13,1km

Auf dem Weg zum Apostel.

Welch krasser Unterschied zur letzten Nacht in Caldas de Rei. An Durchschlafen war nicht zu denken. Der harte Boden, der Weg zur Toilette direkt an unseren Füßen vorbei und ab 4Uhr machen sich die Ersten fertig. Gezwungenermaßen bist Du gleich mit wach wenn im EG nach Proviant aus dem Kühlschrank gegriffen wird, die Außentür ständig auf und zu gemacht wird. Um 5Uhr ist die Nacht endgültig vorbei, auch wenn sich viele Mitbewohner Mühe geben und sich gegenseitig ein leises Pst (das internationale Zeichen für bitte leise sein) herüber schicken. In den sanitären Räumen, die gestern schon sehr schmutzig waren, drängeln sich die Leute. Ist ja klar, getrennt für die Geschlechter jeweils ein WC, vier Duschen und ein Waschbecken. Für 26 Pilger ausgelegt, was eh schon das gesunde Verhältnis übersteigt, und dazu noch 14 weitere Leute dazu, das übersteigt die Leistungsgrenze der Keramiken. Es ist noch dunkel als wir um 6Uhr losgehen. Die Vororte Santiagos schlafen noch. Ein Höhenunterschied von 200m bis hoch nach Santiago liegt vor uns, bei 13km Länge kein Problem. Anfangs leuchten wir den Weg mit unseren Taschenlampen aus, als dann die Sonne im Osten ihren langen Weg zum Himmel antritt beschäftigen wir uns nur noch mit der Suche nach einer Bar für unseren Frühstückskaffee. Eine wirklich schöne Strecke mit optimalen Temperaturen zum Wandern. Nebel, etwas Feuchtigkeit aber eine Frische zum „Tief Durchatmen“ auf dem Weg zum Apostel. Eukalyptuswald, einzelne Häuseransammlungen, keine stark befahrene Straßen, viel Ruhe. Zu Erwähnen sind nur der tote Maulwurf auf dem Weg und der große Pilger aus der portugiesischen Gruppe, der wieder mit riesengroßen Schritten an uns vorbei läuft als wir kurz vor O Milladoiro sind. Auch hier, der letzte Vorort vor dem Ziel, befindet sich keine Bar am direkten Weg. Ein schnuckeliges neu erbautes Örtchen, so scheint es, mit gepflegten mehrstöckigen Wohnhäusern die allesamt mit schlamm. – oder ockerfarbenen Tönen gestrichen sind. Ich lasse Rosalie am Ortsrand kurz alleine und laufe ein Stück in den Ort hinein, Zeit haben wir in Hülle und Fülle. Schon nach wenigen Metern finde ich auch schon eine Bar. Keine Pilger weit und breit zu sehen, die Bar teilen wir uns mit ein paar Einheimischen und einem sehr netten Wirt, der uns sogleich seinen Stempel für unseren Credencial anbietet. Vor der Tür sitzend nehmen wir leckere süße Teilchen, Croissants und Café con Leche zu uns. In der Marca informiere ich mich ausgiebig über Messi, Xavi, Özil, Khedira und Co. Es warten noch 6Km auf uns, leider liegt immer noch leichter Nebel in den Senken und teilweise über dem Land. So bleibt uns 4,5Km vor der Praza de Obradoiro der Blick auf die Türme der Kathedrale verwehrt. Bodennebel hüllt Santiago ein, schade, wie im letzten Jahr, dafür behalten wir eben unsere Nachnamen. Warum? Hier kurz die Erklärung: Als im Mittelalter Pilgergruppen Santiago erreichten, durfte sich Derjenige “Kaiser“ nennen der als Erster die Türme der Kathedrale erblickte. So entstanden unter anderem die Nachnamen zu der damaligen Zeit. Eine schöne Geschichte, vielleicht auch nur eine Sage, aber egal, trotzdem bleibt uns der Blick verwehrt. Bevor wir den letzten Eukalyptuswald durchqueren streifen wir nochmals einen Ort mit dem Namen Porto, viel kleiner als in Portugal aber immerhin. Einen letzten Abstieg hinunter zum Flüsschen Sarela, dann beginnt der lange Weg über 3Km in die Apostelstadt hinauf. Da wir über kleine Seitenstraßen Santiago betreten haben gibt es leider kein Ortsschild für die Kamera. Eine breite Straße, die Rúa da Volta do Castro, mit viel Verkehr, spärlich bewohnt. Links das Universitätskrankenhaus. Dann kommen wir direkt in die Innenstadt, sehr lebhafter Trubel hier und laut. Dann gehen wir Rosalies Straße entlang, die Avenida de Rosalia de Castro, auf der doch tatsächlich ein Hostal inklusive Restaurant San Martin zum Übernachten einlädt, wenn das mal kein Zeichen vom Jakobus ist . Unbeirrt schreiten wir fort, je näher wir kommen umso stiller werden wir, die Spannung steigt. An der schönen Straße mit dem royalen Namen Avenida de Juan Carlos I biegen wir links in den Parque de Alameda, was so viel wie Park der Baumallee heißt ab. Durch eben diese Baumallee nähern wir uns unweigerlich den mittelalterlichen Zentrum Santiagos. Schon befinden wir uns auf der berühmten Rúa do Franco im Herzen der Stadt. So schließt sich der Kreis vom alten Diktator und seinem „Nachmieter“ im madrilenischem Königspalast El Pardo König Juan Carlos. Doch weiter zum Apostel. Je näher wir der Kathedrale kommen umso leichter wird der Rucksack, je flinker werden unsere Füße und je schneller unser Gang. Auf der Praza do Obradoiro hören wir den Dudelsackspieler der auf der Nordseite des großen Gotteshauses in einem Tunnel die Pilger auf dem Camino Frances mit keltischer Musik begrüßt. Gänsehaut macht sich breit. Wir sind angekommen. Ein wunderbares Gefühl, wow. Wir genießen den Augenblick, setzen uns in die Mitte des Platzes und bewundern wortlos die alte Kirche. Eine lange Umarmung, andere Pilger kommen an. Von Süden, aus der Rúa do Franco, kommen plötzlich Ingrid&Joachim auf uns zu! Welch eine Überraschung, der Wahnsinn. Die Beiden haben doch tatsächlich auf uns gewartet. Die Wiedersehensfreude ist riesig. Wir tauschen nicht nur unsere Erlebnisse der letzten Tage aus, diesmal sofort auch unsere Handynummern, sicher ist sicher. Wir verabreden uns für den Nachmittag und gehen direkt ins Pilgerbüro für unsere Compostela. Es ist 10:15Uhr. Zeit für die Zimmersuche. Das Hostal Mapula vom letzten Jahr ist ausgebucht, so wenden wir uns an das Touristenoffice. Mit einer Liste ausgesuchten Unterkünften klappern wir die Hostals ab. Entweder ausgebucht oder bis zu 105€/Person. Für teure 64€ kommen wir im 2 Sterne Hostal Libredón direkt an der Rúa do Franco unter, pro Person versteht sich. Dafür haben wir einen schönen Blick auf die Straße, der Praza do Obradoiro und dem Colexio de Santiago Alfeo. Rucksack aufs Zimmer und schnell zum Gottesdienst. Die Kirche ist randvoll mit Besuchern, der Botafumeiro hängt bereit, welch ein Glück. Das Weihrauchfass wird nur geschwenkt wenn genügend Pilger gespendet haben. Die berühmte Ordensschwester, die mit ihrer glasklaren Stimme die Lieder vom späteren Gottesdienst einstimmt, bereitet eine beeindruckende Atmosphäre der sich niemand entziehen kann. Dann eine kleine Überraschung. Der Bischof hat ein paar Helfer bzw. Messdiener an seiner Seite. Einer von Ihnen ist ein Pilger aus der der portugiesischen Gruppe aus der Herberge. Der junge Mann, um die 24Jahre, ist mir schon mit seiner ruhigen Art in der überfüllten Unterkunft aufgefallen. Er hat also seine Schäfchen aus dem Heimatdorf bis nach Santiago geführt. Während der Messe sehen wir dass die Schlange, die hoch zum Jakobus führt, relativ kurz geworden ist und so gehen wir in das östliche Querschiff um den Apostel zu umarmen und die Pilgerreise abzuschließen. Nach der Messe begeben wir uns aufs Zimmer zum Duschen. Wir hatten eigentlich geplant am nächsten Tag mit dem Bus nach Finisterre zu fahren und drei Tage Strandurlaub zu machen. Rosalie aber möchte gerne zu Fuß zum Meer laufen, sie ist auf den Geschmack gekommen, eine echte Pilgerin geworden. Außerdem ist das Wetter zum Sonnenbaden nicht geeignet. So suchen und finden wir in einer Seitenstraße am Kloster San Martiño Pinario ein kleines äußerst günstiges Hostal für nächsten Dienstag und können uns nun entspannt auf Sightseeing Tour durch Santiago machen. Die Sonne lässt sich zudem blicken und wir erfreuen uns den schönen Nachmittags. Am Abend besuchen wir noch einmal die Messe, das Schwenken des Botafumeiro ist einfach nur sagenhaft. Touristen überfüllen die Kathedrale, Kameras und Handys filmen das Spektakel. Wie in fast allen Kirchen auf dem Jakobsweg können wir auch hier keine echte Kerze zum Andenken anzünden, nur elektronische Kerzenbatterien die mit einer Münze mit Strom versorgt werden stehen Viele herum. Doch nun die absolute Krönung des Ganzen. Im Ostschiff, vor einer kleinen Kapelle steht ein Flachbildschirm mit einer Vielzahl von grafisch angezeigten Kerzen. Ein paar dieser Kerzen leuchten auch, wie ein Computerbild. Zum entfachen einer neuen Kerze sollst man eine SMS an eine bestimmte Nummer schicken, wirklich wahr, wirklich kein Scherz. Kommerz schön und gut, aber das macht mich schon sehr nachdenklich über das Ausschlachten des Jakobskults. Wir treffen unsere Tiroler Freunde endlich wieder. Hunger bis unter beide Arme und in den engen Gassen der Altstadt kehren wir in Lokal ein welches ein besonderes Flair besitzt. Da die Preise der sonstigen Restaurants doch ziemlich überzogen sind entscheiden wir uns für das unscheinbare Wirtshaus Galeon Reiña. Die Einrichtung soll einer Galeere nachempfunden sein. Die Tische haben Namen berühmter Seefahrer und an der Wand hängt die stilisierte Hälfte eines Schiffes mit schweren Tauen und sonstigen Details der Seefahrt. Mit Ingrid und Joachim verbringen wir einen wirklich tollen und lustigen Abend. Solche Lehrer hätte ich damals auch gerne in der Schule gehabt, vielleicht wäre dann etwas aus mir geworden, J. Immer für einen Spaß zu haben und sehr weltoffen. Der Heimat Tirol sehr verbunden und doch schon viel von der Welt gesehen. Einfach ein tolles Paar, die Beiden. Jeder Abend hat leider einmal sein Ende und so verabschieden wir uns im mittlerweile regnerischen Santiago am späten Abend. Wir wollen noch ein letztes Mal zur Kathedrale um die Magie des Gebäudes in Ruhe im Scheinwerferlicht zu genießen. Doch Denkste, Ruhe herrscht hier noch lange nicht. Gegenüber der Kirche, unter dem Vordach des riesigen alten Rathauses spielt eine Trachtengruppe, ebenso aufgemacht wie die in Porto, spanische Volksmusik und viele Menschen umringen sie und singen und klatschen mit. Wir bleiben für ein paar Stücke dabei und bewundern das spanische Liedgut. Hinter uns, aus Richtung der Kathedrale, kommt nun die nächste Musik in unsere Ohren. Auf dem Platz tanzt eine Gruppe junger Leute eine Choreographie auf den Song Firework von Katie Perry. Eine Frau bedient ein Notebook und aus großen Boxen wird der ganze Platz beschallt. Extra aufgestellt Scheinwerfer, deren Strom von einem lauten Kompressor kommt, vertreiben die Dunkelheit. Spontan tanzen die dazugekommenen Menschen um die Gruppe herum Hand in Hand einen großen Kreis. Trotz des Regens ist das doch ein schöner Abschluss des ereignisreichen Tages, wobei ja noch ein richtiges weiches Bett auf uns wartet.



 
Es war sehr früh am Morgen als sich die ersten Pilgern auf den Weg machten.


Pfeile suchen im Dunkeln war kein Problem.


Nur noch 10km bis Santiago.


Der kleine Maulwurf hatte es nicht geschafft.


Schöner Gartenzaun in der Vorstadt.


Ein letztes Stück Wald vor der Stadt.


Wie schon im letzten Jahr bleibt der Blick auf die Türme der Kathedrale durchs Wetter verwehrt.


Leicht bergab zum...


...Fluss Sarela und für jeden seine eigene...


...Brücke.


Selbst die Autobahnbrücke hat die Jakobsmuschel als Verzierung.


Das Restaurant Sankt Martin auf der...


...Avenida de Rosalia. Na wenn das nicht passend ist :-)


Durch den Park Alameda, danach noch durch die Rua de Franco und schon..


...sind wir angekommen.


Immer wieder ein unbeschreiblich schönes Gefühl.


Kaum sind wir da, kommen auch Ingrid und Joachim die einen Tag vor uns angekommen waren.


Vor der Messe. Der Botafumeiro hängt bereit.


Erinnerungstafel in der Gruft an Papst Johannes Paul der II.


Blick über die Schulter des Apostels während des Gottesdienst.


Rosalie umarmt als letzte Handlung der Pilgerreise den Apostel Jakobus.


Einfach einmalig, wie hoch das Weihrauchfass durch die beiden Querschiffe geschwenkt wird.


Keltische Dudelsackmusik die einmal mehr mittelalterliche Stimmung aufkommen lässt.


Tja, diese Figuren gibt es nicht nur auf der Domplatte am Rhein :-)


Sightseeing durch die Altstadt.


Auf der Nordseite der Kathedrale, bzw. ...


...die Südseite des Klosters San Martiño Pinario.


Vor "meinem" Kloster San Martiño :-)


Der Matamoro über dem Eingangsportal des Klosters. Die Perspektive täuscht ein wenig, der Säbel durchbohrt nicht den Kopf des Arabers.


Grünzeug wuchert an den Mauern der Kathedrale.


Der Null-Kilometerstein auf der Praza do Obradoiro.


Am frühen Abend füllt sich der Platz mit allerlei Gruppen. Buspilger, Pfadfinder oder Schulklassen.


In der Kathedrale. Rechts ein paar Beichtstühle aneinander gereiht, sortiert nach den Sprachen.


Unter der Kuppel in der Mitte der Kathedrale, dort wo sich die Langs.- und Querschiffe treffen.


Für uns ein, wirklich, trauriger Höhepunkt. Echte Kerzen sind auf dem Camino (Frances und Portugues) in den Kirchen nicht zu finden. Es gibt große Elektrobatterien in denen man Münzen einwirft um eine Kerze einzuschalten. Was ihr hier sieht ist ein Flachbildschirm im Westschiff auf dem vielen Kerzen animiert abgebildet sind. Für eine kostenpflichtige SMS kann man hier eine Kerze entzünden die dann leuchtet. Nein, kein Verständniss hierfür von unserer Seite. Einfache Teelichter, wie zu hunderten im Dom zu sehen, bringen tausend mal mehr Gedanken an die Lieben als dieses Abkassieren.


Die Rua do Vilar ist eine beliebte kleine Gasse mit vielen Bars.


Iberer und Germane beim Denken


Günstiges Essen in der Galeon Raiña in der Rua do Vilar.


Mit Ingrid und Joachim in der "königlischen Galeere".


Unter dem Vordach des Rathauses gegenüber der Kathedrale spielte diese Gruppe volkstümlische spanische Musik. Viele Menschen hörten zu und tanzten zu den Klängen am späten Abend.


Ganz spät am Abend auf der Praza do Obradoiro. Ein Tanzschule zeigt eine Choreographie auf Katie Perrys Firework. Aus großen Lautsprecher wurde der Platz beschalt, Strahler erhellten das Treiben und die menschen umkreisten die tanzende Gruppe ganz spontan. Tolle Atmosphäre. Modern und Mittelalter beisammen, Jung und Alt tanzten.



 
   
 
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